Die Sustenstraße – Gletscher-Watching für Schnellentschlossene

Wer für grandiose Gletscheransichten nicht tief in die Alpen fahren und sich dann per Seilbahn auf luftige Aussichtsplattformen hieven lassen will, für den ist die Sustenstraße eine gute Alternative. In diesem Beitrag stellen wir euch vor, für wen sich diese Passstraße lohnt und was es dort zu sehen gibt.

Das Wichtigste in Kürze

Empfehlenswert, weil: Schöne Ausblicke, echtes Alpen-Feeling, geeignet für eine Rundfahrt
Streckenlänge: 50 km von der Einfahrt ins Tal der Sustenstraße bis zur Ankunft in Wassen, wo es auf die A2 geht.
Zu beachten: Die Sustenpass-Straße ist nur in den Sommermonaten von Juni bis Oktober geöffnet.
Nicht so gut: Bei schönem Wetter verdammt viel los, vor allem Motorradfahrer!

Hoch auf die Pässe!

Eine Alpenquerung mit dem Auto ist jedes Mal ein Erlebnis. Die Serpentinenstraßen immer höher fahren, über die Baumgrenze hinaus und mitten hinein in eine unwirtliche Welt von rauher Schönheit, die grandiose Ausblicke beschert!

Ich gebe es zu: Ich bin eine notorische Passstraßen-Fahrerin. Wenn möglich, lasse ich bei Alpenquerungen, etwa auf dem Weg nach Italien oder Korsika, die Tunnel links liegen und fahre lieber über den Pass.

Für die Flachländer unter uns sind die Alpen ein riesiges Gebirge mit zahllosen schneebedeckten Gipfeln, Tälern, Gletschern und dem Matterhorn. Im Grunde eine Terra incognita: Hoch und faszinierend. Und wer diese Alpen überquert, der muss ja automatisch an den höchsten und faszinierendsten Orten vorbeikommen, weil ein Pass ist ja der Punkt, an dem eine Bergkette tatsächlich überschritten wird.

Stimmt aber nicht. Eigentlich sind die Gotthard- und San Bernardino-Passstraßen trotz ihrer schönen Aussichten während der Auf- und Abfahrt sogar vergleichsweise langweilig. Es gibt einfach kein echtes Hochalpen-Feeling – und wer über diese Straßen fährt, findet sich auf der anderen Seite der Alpen wieder. Nix für eine kleine Rundtour.

Glücklicherweise haben Plattentektonik und fleißige Straßenbauer eine tolle Alternative geschaffen, die sich ganz wunderbar für eine idyllische Rundfahrt mit Gletscherblick eignet: Die Sustenstraße.

Die Sustenstraße

Der Sustenpass liegt in 2224 m Höhe – und damit rund 100 bzw. 200 Meter höher als Gotthard- und Bernardino-Pass – auf der Grenze der Schweizer Kantone Bern und Uri. Die Straße überquert in West-Ost-Richtung einen Ausläufer der Berge an der Nordseite der Alpen. Richtig gelesen – die Sustenpass-Straße verbindet nicht die Nordseite der Alpen mit der Südseite, sondern nur die Schweiz mit der Schweiz. Interessant ist die Straße daher tatsächlich hauptsächlich für Touristen und Tagesausflügler.

Und das zurecht: Die Sustenstraße lässt sich wunderbar in eine Tagesrundreise vom türkisblauen Brienzer See zum ebenfalls türkisblauen Vierwaldstätter See und über die A8 wieder zurück einbinden.

Das denken sich auch unsere zweifach beräderten Freunde: Die gesamte Strecke ist bei Motorradfahrern sehr beliebt, aber auch Autos, Wohnmobile und sogar Linienbusse tummeln sich auf der Straße über den Sustenpass.

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Was hatten wir auf der Sustenpass-Straße zu suchen?

Nunja – wir hatten das Wochenende in Interlaken verbracht. Am Sonntag Morgen saßen wir im Hotelzimmer und fragten uns, wie wir zurück nach Heidelberg fahren. Auf dem direkten Wege – oder doch eher noch mit ein bisschen landschaftlicher Idylle und einem kleinen Umweg? Die Antwort liegt auf der Hand: Natürlich mit einem Umweg durch die Berge! Aber auch kein übertrieben großer Umweg.

Da fiel uns sofort die Strecke über den Sustenpass ins Auge. Das ist wie ein guter Teaser: Ab ins Hochgebirge mit Gletscher-Ausblick, aber ohne die Alpenseite zu wechseln. Ein ein spektakuläres Alpenhighlight anstelle einer kompletten Querung nach Süden.

Also – begleite uns auf unserem Weg über die ziemlich genau 50 km lange Passroute!

Wer in Wassen übrigens auf die A2 Richtung Süd abbiegt, der würde nur rund zwei Kilometer weiter schon in den Gotthard-Tunnel einfahren und dann im Grunde doch noch in Italien landen 😀 Aber das wollen wir ja gar nicht. Wir wollen nur Berge und Gletscher und dann direkt weiter nach Norden Richtung Heimat.

Kleine Routenbeschreibung und was dich entlang der Route erwartet

In Innertkirchen biegen wir nach Osten ab und fahren damit in das Gadmertal ein, durch das wir uns nun zum Sustenpass aufmachen. Zunächst führt die Strecke über rund 14 km und mit sanfter Steigung von rund 500 Höhenmetern durch die Talsohle und bietet dabei schöne Ausblicke auf die höheren, bis in den Sommer hinein noch Schneefelder bietende Gipfel wie das Radlefshorn.

Blick zurück Richtung Westen
Blick zurück Richtung Westen

Ab etwa Gadmen, einer … naja, Ortschaft? .. oder sagen wir, einer weitläufig verteilten Ansammlung von Höfen und Ferienhäusern, baut sich links von uns immer steiler ein baumloser Felsgrat auf. Er gehört zur Bergkette der „Wendenstöcke“, die bis zu dem Punkt, an dem wir selbst in die ersten Serpentinen fahren, bis auf über 3000 m aufragen. Also durchaus dramatisch 😀

Einen knappen Kilometer östlich des Gasthauses Alpenrose und eines kleinen Campingplatzes wird es nun auch für uns ernst. Die Straße schlängelt sich nun über einige enge Serpentinen an der bewaldeten Bergflanke nach oben. Es gibt die eine oder andere kleine Aussparung, an der du kurz anhalten und die Aussicht zurück in das Tal genießen kannst. Richtig spektakulär wird es aber erst oberhalb der Baumgrenze (findet Debbie) 😀

Sustenstraße Richtung Osten
Da vorne geht es hoch Richtung Gletscher

Die alte Sustenstraße

Wenn die Bäume lichter werden, erhascht der aufmerksame Betrachter auch den einen oder anderen Blick auf die alte Sustenstraße.

Alte Sustenstraße
Die alte Sustenstraße an der Steingletscherkurve überquert auf einer Trockensteinmauer eine Senke

Weil der Sustenpass kein Nord-Süd-Alpenpass ist und somit auch für den Handel eine eher nachrangige Verbindung darstellt, gab es bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts nur einen Säumerpfad, also einen unbefestigten Weg, der für zweiachsige Karren nicht geeignet war.

Erst 1811 wurde dann schließlich eine erste richtige Straße – die heutige „alte Sustenstraße“ – fertig gestellt. Sie verläuft nahe der neuen Sustenstraße und ist heute teilweise noch sehr gut zu erkennen, wenn sie über einen durch Trockenmauerwerk befestigten Untergrund läuft und damit einen richtigen „Highway“ darstellt.

Das kann man sich besonders gut direkt neben dem Parkplatz an der Steingletscherkurve auf 1860 m Höhe anschauen, an der es auch ein Gasthaus gibt. Direkt unterhalb des Parkplatzes rauscht der Gletscherbach Steinwasser das Tal hinab und parallel dazu findet sich ein Stück der hoch gemauerten alten Sustenstraße.

Der Steingletscher

Von der Steingletscherkurve, von der aus trotz ihres Namens vom Steingletscher leider nicht mehr viel zu sehen ist, kann man Wandertouren hinauf auf den Gletscher starten oder zum Steinsee schlendern. Der Steinsee befindet sich unterhalb des Steingletschers und sammelt dessen Schmelzwasser.

Blick auf die Steingletscherkurve
Hier siehst du die Steingletscherkurve und einen Abschnitt der alten Sustenstraße von oben

Nun geht es weiter zum schönsten Teil der Route: Der letzte Streckenabschnitt vor dem Sustenpass selbst führt nun weiter am Berg hinauf, passiert mehrere kleine Tunnel und beschert herrliche Ausblicke auf den Steingletscher.

Spektakulär ist auch der bereits erwähnte Wyssebachfall – denn die Straße führt durch einen Tunnel unter dem Wasserfall hindurch, während das Wasser über den Felsen oberhalb des Tunnels rauscht und rechts neben der Straße nach unten stürzt.

Wyssebachfall von unten
Der Wyssebachfall vom Parkplatz der Steingletscherkurve aus

Für die Passstraßen-Begeisterten im Auto, Motorrad, Fahrrad oder Wohnmobil gibt es auf diesem Abschnitt bis zu einer Kehre oberhalb des Randes des ehemaligen Gletscherbettes mehrere Parkgelegenheiten. Und das solltest du nutzen, denn die Aussicht auf den Steingletscher, das Sustenhorn und Gwächtenhorn ist wirklich fantastisch.

Von oben schauen wir auf den Steinsee und haben einen perfekten Ausblick über das Gletschertal und hinauf zum Gletscher selbst. Wenn man den Motorenlärm ausblendet, bekommt man hier wirklich das Gefühl, weit weg von der Zivilisation zu sein.

Wie so viele Gletscher hat auch der Steingletscher leider in den letzten wenigen Jahren aufgrund des Klimawandels einiges an Substanz verloren und ist deutlich geschrumpft. Gut zu sehen ist das auf dieser Seite, die mehrere Vergleichsbilder aus den letzten Jahrzehnten zeigt.

Obwohl der Schwund sehr deutlich sichtbar ist, hat der Gletscher laut Wikipedia-Seite nicht so viel Länge eingebüßt wie andere Gletscher der Alpen. Trotzdem macht es mich traurig – vor allem zu wissen, dass die Lage sich noch weiter verschlimmern wird.

Der Sustenpass und die Abfahrt durch das Meiental

Nach diesen tollen Ausblicken ist es jetzt nicht mehr weit bis zum eigentlichen Sustenpass, der selbst aber nicht mehr so viel her macht. Trotz der Temperaturen von über 35° im Tal und 23 oder 24° am Pass auf 2224 m lag bei uns Ende Juni noch meterhoch der Schnee. Allerdings war er fleißig am schmelzen und dürfte spätestens im Juli ganz verschwunden sein. Am Sustenpass gibt es natürlich ein Gasthaus, einen großen Parkplatz und auch einen kleinen See, so dass sich auch hier ein Spaziergang anbieten kann.

Die eigentliche Passhöhe unterqueren wir durch einen rund 300 Meter langen Tunnel und kommen dann im Meiental wieder heraus. Die Fahrt nach Wassen weiter unten an der Auffahrt zur Gotthardautobahn A2 ist zwar nett, windet sich aber fast ohne Serpentinen nach unten und ist daher auch recht schnell zurückgelegt.

Wer will, kann hier nun tatsächlich über den Gotthard noch einen Abstecher nach Italien machen – die tollsten Ausblicke liegen dann aber bereits hinter dir. Ansonsten fährst du auf der A2 wieder nach Norden und gelangst dann nach nur 25 km Autobahn schon zum Vierwaldstätter See, wo du den Tag ausklingen lassen kannst.

Unser Fazit zum Sustenpass

Die Sustenstraße lohnt sich wirklich für jeden, der schöne Alpenausblicke liebt. Sie ist allerdings sehr belebt – also wirklich sehr, sehr belebt. Das stört schon. Für uns aber war es genau der richtige Alpenkurzausflug, bevor wir wieder nach Hause mussten.

Gerne hätten wir auch eine mehrstündige Pause eingelegt und wären bis zum Gletscher spaziert – dann bleibt auch der Motorenlärm zurück.

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